Samstag war mein letzter Tag auf dem Agroforst-Projekt/-Betrieb in Südfrankreich in der Nähe von Toulouse und ich möchte von 2 Dingen berichten, was ich nicht erwartet habe, zu lernen, worüber ich aber sehr zufrieden bin, mehr darüber erfahren zu haben.
Zum ersten Punkt, den ich diskret in die Überschrift gesteckt habe, allerdings auf Französisch. Auf Deutsch heißt ‚La bâche‘ Plastikplane. Als ich mir die Fotos von Ludovics Flächen wieder und wieder auf der Wwoofing-Webseite anschaute, war das Einzige, was mir wirklich missfiel die Plastikplane, die sich zwischen den Baumreihen wie Asphalt auf einer Straße gerade und vereinnahmend ausbreitete.

Hier frisch gepflanzte kleine rote Beete und Fenchelpflanzen.
Dazu werden noch alte Autoreifen daraufgepackt, um ein Wegfliegen zu verhindern. Sie passen zwar zum lautmalerischen Bild einer asphaltierten Straße, gleichzeitig verteilen sie aber auch giftige Mikropartikel in der Atmosphäre und der Landschaft.

Plastikplanen zwischen den frisch gepflanzten Lauchpflanzen, die gerne in einer Monokultur wachsen.
Für die Zeit nach dem Aufenthalt bei ihm hatte ich mir bereits Aufenthalte auf weiteren Farmen organisiert, die ohne Plastikplane und stattdessen z.B. mit dicken Schichten Mulch aus Stroh arbeiten. Ich war mir sicher, dass der Anbau von Gemüse zwischen den Baumreihen eigentlich auch ohne Plastik gehen müsste.
An meinem letzten Tag bei Ludovic hatte ich Glück – zum Abschluss bekam ich eine Führung, da die Mitglieder seiner noch sehr neu gegründeten SoLaWi (Solidarischen Landwirtschaft) angemeldet waren für einen Rundgang. Eventuell wäre dieser zu Beginn meines Aufenthalts auch gut gewesen, aber nach vier Wochen hatte sich erstens mein Französisch verbessert und zweitens kannte ich das Grundstück mittlerweile so gut, dass ich die Infos jetzt besser einordnen konnte.
Es ging wie immer viel um die Geschichte seiner Farm; Dass vor 15 Jahren noch nichts von alledem da war, kein einziger Baum, nur Weizenfelder. Er hat die Gewächshäuser an einem anderen Ort günstig erworben, selbst abgebaut und vor Ort wieder angebaut. Ganz alleine die Bäume, alle Bäume! Zum Anfang hat er Blumen kultiviert und verkauft, bis es nicht mehr funktionierte, weil sie sich nicht mehr auf den Märkten verkaufen ließen. Danach begann er Gemüse zu kultivieren, dann Gemüse zwischen den Bäumen. Step by step. Die Solaranlage fehlt noch und ist bereits seit 7 Jahren geplant, als er das Material wie immer für einen Appel und ein Ei erworben hat. Ich bin mir sicher, sie steht in 3 – 4 Jahren. Material zum Bauen ist auf jeden Fall genug da.

Zurück zum Plastik: Auch die Gäste fragen, ob er unbedingt die Gräser zwischen den Bäumen plattwalzen müsste und ob die Plastikplanen wirklich notwendig wären. Die Antworten sind gut und schlecht. Die hohen Gräser muss er zweimal im Jahr plätten mit einer Walzmaschine – er mäht noch nicht einmal – damit er keine Probleme mit der Versicherung bekommt. An den Stellen, wo er Gemüse anbaut, lässt er es liegen und es dient von dem Moment an als Mulchmaterial.

Es gibt mehrere Gründe, warum er dieses auch noch mit Plastikplane bedeckt. Der glückliche Umstand ist, dass er auf sehr fruchtbarem Boden sitzt. Alles fängt sofort an zu wachsen. Außer man stellt sich beim Pflanzen und Wässern sehr dumm an, was aber meist nur einzelne Kulturpflanzen wie die Tomaten und Auberginen betrifft, hervorgerufen von ungeschickten Wwoofer-Händen und Ludovics Begeisterung für die Spreckleranlagen. Ansonsten wuchern die Beikräuter mit Begeisterung zwischen und neben dem Lauch und den Kartoffeln hervor, an den Seiten oder zwischen Baumaterialien natürlich noch viel mehr.

Oft sind sie sehr hübsch, aber sie werden über 2m hoch.

Ludovic spritzt nun einmal nicht, gar nichts und das ist natürlich ein großer Vorteil für die Bodenfruchtbarkeit. Das letzte Jahr hat er tatsächlich ausprobiert, ohne Plane Lauch und Kartoffeln zu pflanzen mit dem Ergebnis, dass er nichts ernten konnte bzw. nichts, was groß genug gewesen wäre für den Markt. Die Beikräuter wie verschiedene Kräuter, Wegeriche, Mohn, Johanniskraut, usw. sind wunderschön, aber ersticken die Kulturpflanzen und nehmen ihnen das Wasser.
Ein weiterer Grund ist, dass die Plastikplane im Frühjahr den Boden anwärmt auf eine Temperatur, die die jungen Kulturpflanzen mögen und sie einlädt, sich wohlzufühlen und weiterzuwachsen. Mit der dicken Strohmulchschicht darunter muss nach Ludovics Aussage eigentlich nur vorm Pflanzen und ca. dreimal im Sommer gegossen werden. Diese Methode ist natürlich ein erheblicher Vorteil für viele Regionen, in denen schon jetzt oder voraussichtlich naher Zukunft Wassermangel herrschen wird, was ja auch der Grund dafür ist, dass Ludovic einen Agroforst angepflanzt hat.
Letztendlich kann Plastikplane helfen, bei Spätkeimern wie z.B. Möhren in den ersten drei Wochen die Beikräuter zu unterdrücken, bis die gewünschten Pflanzen sich aus den Samen winden und an die Oberfläche finden.

Da Ludovic die Planen 10 – 15 Jahre verwendet (v.a. auch wegen aus ökonomischen Gründen), ist diese Verwendung von Plastik in der Landwirtschaft mit mehreren guten Effekten und der Langlebigkeit ganz gut zu rechtfertigen. ´Das hätte ich vor meiner Ankunft nicht erwartet und konnte mich nun mit diesem Material doch in diesem Sinne doch versöhnen. Ludovic’s Aussage nach müssten man eigentlich Tiere haben, die das Terrain vorbereiten und die Beikräuter auf natürliche und sinnvolle Art und Weise bezähmen. Schafe zum Beispiel. Hätte er auch gerne. Aber er ist nach wie vor allein mit diesem Mammutprojekt auf 18 Hektarn. Von daher: Hut ab!
Der erste und letzte Satz enthalten den 2. Punkt, den ich gerne anführen möchte, der mir auch am letzten Tag richtig klar wurde: Ist es nun ein Betrieb oder ein Projekt? Wahrscheinlich am ehesten beides – im Prinzip erzielt der Agroforst einen Profit. Immerhin steht Ludovic bis zu 4 Mal in der Woche auf Märkten und verkauft Salate und Gemüsepflanzen. Allerdings ist es so wenig, dass es nicht für ein Gehalt für Ludovic reicht, sondern es lediglich das Projekt an sich am Leben erhält – mit den Materialien, den Standgebühren auf den Märkten, der Elektrizität, dem Benzin, den Wwoofern usw. Ludovic lebt bei seinen Eltern, die praktischerweise direkt nebenan wohnen. Er sagt selbst von sich, dass der Agroforst natürlich viel zu groß ist und dass er verrückt ist. Es sei nun einmal ein Projekt für die Zukunft. Auch dafür: Hut ab!
