Erlebte Arbeitswelt

Menschen sind soziale, sinnliche und denkende Wesen.

Der Computer als das universelle und heute allgegenwärtige Werkzeug bietet für keines dieser menschlichen Eigenschaften und Bedürfnisse einen adäquaten Rahmen.

Einzig die Kategorie des Denkens kann bei der Arbeit mit einem Computer ausgefüllt werden.

In Bezug auf diesen letzten Punkt möchte ich mich auf diejenige Arbeit beziehen, wie sie von Arbeitnehmer*innen am PC immer mehr gefordert wird: Projektmanagement. Projektmanagement als die Planung von praktischen Projekten, die auch tatsächlich umgesetzt werden sollten, erfordert viel Organisationstalent, um eine Vielzahl von kleinteiligen Verwaltungs-, Dokumentations- und Monitoringaufgaben zu erledigen. Dies ist der Rahmen, dem die Planung und das Orchestrieren von Projekten gegeben wurde. Dies beinhaltet das Ausfüllen von Excel-Tabellen mit Zahlen oder Daten, die keine besondere inhaltliche Relevanz haben, die Neuordnung von Textbausteinen, um neue Fördergelderanträge zu stellen, das Formulieren von förmlichen Einladungen, das Verschicken von Zoom-Links und das Beisitzen bei Workshops nach dem immer-gleichen-Schemata, um Cloud-Dokumente zu erstellen, die in der virtuellen Schublade landen.

Die Schlagzahl kann bei solchen Rahmenbedingungen trotzdem beträchtlich sein, da – zumindest im Klima-, Umwelt- und Naturschutz – die Belastung von Einzelpersonen hoch ist und ein/e einzelne Projektmanager*in eine Vielzahl an Projekten betreut. Da sich die Aufgaben bei den unterschiedlichen Vorhaben alle gleichen, die Inhalte für den/die Projektmanager*in oft wenig Relevanz haben, sodass sie/er abgekoppelt davon agiert, kommt es letztendlich zu einer Fließbandarbeit der Projektbetreuung. Selbst wenn diese im besten Fall zumindest zum Teil umgesetzt werden, geschieht dies nicht von der/dem Projektkoordinator*in. Es entsteht für die/den Betroffenen nichts, was fassbar und real ist.

Die Massenabfertigung von Projekten mit Aufgaben, die für den menschlichen Geist stark reduziert und redundant sind, wirken auf das Individuum entfremdend.

Ein technisches Gerät, bei dem die Arbeit dieser Fließband-Projektorganisation von Koordinator*innen im Einzelbüro oder dem Homeoffice-Arbeitsplatz ausgeführt wird, kann damit keines der oben genannten menschlichen Bedürfnisse erfüllen. Statt einem sozialen Umfeld mit sinnlichen Einflüssen, das den Menschen zum Denken anregt, führt eine solche Umgebung zur Abstumpfung und zum generellen Desinteresse.

Zoom- oder teams-Calls können keine echten menschlichen Interaktionen ersetzen. Im Gegenteil dazu strengen online-Meetings die Teilnehmenden sowohl physisch als auch psychisch sehr an und produzieren oft wenig konkrete und langfristige Ergebnisse, die sich stattdessen eher durch direkte Verbindungen von Menschen entwickeln, bei denen Ideen und Umsetzungsschritte als realer wahrgenommen werden. Die Folge dieser Komponente ist für viele Menschen ein Gefühl von Einsamkeit. Echte zwischenmenschliche Kontakte finden auf der Arbeit wenig oder kaum mehr statt.

Schließlich entfaltet sich ein menschliches Lernen erst im Berühren und Erfahren der Außenwelt und dem sinnlichen Erfahren dieser. Dinge müssen sinnlich erfahrbar werden, um eine Beziehung zu ihnen aufzubauen und mit ihnen umgehen zu können. Dies trifft auf Naturerfahrungen zu als auch auf Kompetenzen wie etwas reparieren zu können, indem ich ein Gerät oder einen Gebrauchsgegenstand auseinanderbauen und verändern kann. Gerade die fehlende Naturerfahrung wird in Zusammenhang mit dem Klima-, Umwelt- und Naturschutz zunehmend in unserer Gesellschaft diskutiert. Das Arbeitsumfeld, in dem sich Personen befinden, die hier einen Wandel vorantreiben möchten, ist jedoch diametral in entgegengesetzter Weise dazu ausgestaltet in Form der ausschließlichen reduzierten und sitzenden Arbeit an einem Computer. Dem Menschen fehlt der Kontakt zu Außenwelt und ganz basal Bewegung, um gesund zu bleiben. Eine Tastatur und ein Bildschirm können keine sinnlichen Naturerfahrungen, die Erfahrung des eigenen Körpers oder auch echte zwischenmenschliche Kontakt ersetzen.

Im Bereich des Klima-, Umwelt- und Naturschutzes birgt dies ein besonders Paradox: Wie wollen wir langfristig natur-, klima- und umweltschützend handeln, wenn wir keine Pflanzen mehr kennen, wenn wir unsere Nahrung nicht mehr selbst anbauen können, wenn wir keine Dinge mehr selbst herstellen oder durch Reparaturen erhalten können?

Der Mensch ist damit so weit wie nur möglich von dem entfernt, was ihn ausmacht als sinnliches, schaffendes/kreatives, soziales Wesen, das im Kontakt und im Austausch mit der Welt stehen will und muss, um Mensch zu sein.

Die Entfremdung und Entwurzelung des Menschen von dem, was uns ausmacht, bleibt nicht ohne Folgen. Bei vielen Personen, die in diesem Feld arbeiten, machen sich Unzufriedenheitsgefühle bemerkbar, psychische oder physische Krankheiten nehmen zu wie Erschöpfungszustände, chronische Kopf- und/oder Rückenschmerzen, Übergewicht, Depressionen, usw.

Der Mensch hat schon allein wegen seines Vermögens, ein denkendes Wesen zu sein, die Verantwortung, sich selbst und sein Gegenüber/die Gemeinschaft, in der er/sie lebt/die Gesellschaft, dazu zu befähigen.

Das Denken ist unser Tor zur Freiheit. Es gibt uns die Fähigkeit, unser Leben, unser Umfeld und unser Zusammenleben zu gestalten. Dieses gesellschaftliche Gestalten kann z.B. ein politisches, soziales oder ökologisches Engagement ein. Dagegen fördert eine entfremdende Fließbandarbeit wie hier beschrieben, eine Abstumpfung und ein generelles Desinteresse am öffentlichen Leben.

Zu Denken und gemeinsam Verantwortung für das Weiterbestehen dieser Freiheit zu sorgen, sind jedoch Aufgaben, die in einer Demokratie jeder/m zukommen.

Wenn redundante Tätigkeiten an einem abstumpfendem Werkzeug den Menschen sich in die entgegengesetzte Richtung entwickeln lassen, müssen wir uns gesellschaftlich fragen und überlegen, wie wir in Zukunft mit diesem etablierten Werkzeug umgehen wollen.

Die nicht-artgerechte Menschenhaltung der 40-Stunden-sitzenden Bürotätigkeit am PC bringt keine mündigen und individuell erfüllten Bürger*innen hervor, sondern unzufriedene, z.T. kranke Personen mit geringem Problemlösungs-Bewusstsein und Verantwortungsgefühl.

Auch wenn die massenhafte Verbreitung von PC’s und die Strukturierung unserer heutigen Arbeitswelt in Form von Einzelarbeitsplätzen kein absichtlich bewirkter Prozess sein mag, ist es an der Zeit, dass wir in einem gesellschaftlich-kollektiven Diskurs, unser Arbeitsumfeld und dessen Auswirkungen diskutieren müssen, statt die Entwicklung so blind weiterzuverfolgen, wie es zurzeit geschieht.

Veröffentlicht von Christine Heybl

Ich habe zum Thema 'Klimagerechtigkeit' promoviert, Hauptfach Philosophie, Nebenfach Biologie. Ziel war es zum Thema Nachhaltigkeit, herauszuarbeiten, dass durch den Klimawandel Menschenrechtsverletzungen entstehen und wir daher die Verpflichtung haben, in allen Bereichen der Gesellschaft eine nachhaltige, ökologisch-vertretbare Lebensweise einzuführen, die die Menschenrechte aller Individuen sowohl heute als auch in Zukunft möglich macht und schützt. Ich bin sehr Nachhaltigkeitsthemen interessiert, zurzeit v.a. an nachhaltigem Konsum, organischer Landwirtschaft und Permakultur.

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