Was sind Transition Towns?

Dies ist in leicht veränderter Form ein Ausschnitt aus meinem Buch: ‚Kant und das Klima‘. Wenn euch der Beitrag gefällt, findet ihr im Buch viele weitere solcher Geschichten über meinen ökologisch gestrickten Alltag. Schaut mal nach:

https://www.punktum-buecher.de/Kant/

Beim klima- und umweltfreundlichen Handeln kommt es zu einem glücklichen Zusammentreffen von gutem Gewissen und Wohlgefühl.

Dieses gute Gewissen nutzt sich natürlich ab – Biomilch kaufen wird irgendwann zur Gewohnheit, soll es ja auch. Immer wieder müssen wir uns neue Gelegenheiten oder ‚Herausforderungen‘ suchen – man kann ja nicht jeden Tag einen neuen Stromvertrag abschließen.

An dieser Stelle möchte ich eine globale soziale Bewegung vorstellen, die ich 2011 auf Jersey kennengelernt habe, als ich dort in der Durrell-Wildlife-Foundation arbeitete. Die Durrell-Foundation hat das Ziel, aussterbende Tierarten aufzusammeln, zu beherbergen, zu vermehren und wieder in ihre Habitate zurückzuführen, um dort ihrer Population wieder zu einem gesunden Wachstum zu verhelfen. Den Anfang nahm alles mit der Initiative des eigenwilligen Gerald Durrell, der in jungen Jahren beschloss, dass es viel wichtiger sei, die Natur zu verstehen und sich um seltene Tierarten zu kümmern, statt zur Schule zu gehen. Es gibt sehr amüsante Bücher über sein Leben – wenn Ihnen mal eins in die Finger kommt – lesen Sie es. Sie werden viel über seltene Tierarten lernen und eine kurzweilige Lesezeit haben.

Während ich einen dreimonatigen Freiwilligendienst in diesem Wildpark absolvierte, wohnte ich bei Anna und Daniel, einem Paar Anfang 60 – fantastische Menschen! Sie war Deutsche, lebte aber schon die Hälfte ihres Lebens auf Jersey. Er war auf den Kanal-Inseln geboren, politisch sehr interessiert und hatte gerade ein Amt im Parlament inne. Sie waren bis über beide Ohren ökologisch, hatten zusammen einen Fahrradverleih mit Touren und Unterricht für Noch-Unbedarfte betrieben und kauften nur Bio-Lebensmittel. Daniel kämpfte im Parlament für grüne Ideen und Anna nahm mich mit zu den ersten Treffen der ‚Transition Town‘-Initiative auf Jersey.

‚Transition town‘, heißt fast wörtlich übersetzt „Städte im Übergang“. Dieser Name beschreibt Gemeinschaften, die den Übergang zu einer Welt planen und ebnen, wie wir sie wohl in Zukunft brauchen werden. Eine Welt, in der Peak-Oil, der Klimawandel und die Knappheit von Rohstoffen angekommen ist und in der wir gelernt haben, im ökologischen Rahmen unseres Planeten zu leben – auf einem Level, dass eine enkeltaugliche Zukunft erlaubt. ‚Peak-Oil‘ bezeichnet Das zeitliche Maximum der weltweiten Förderrate von Rohöl.

Die Transition-Town-Internetseite formuliert dies so:

„Im Rahmen der Transition Town Bewegung (übersetzt etwa „Stadt im Wandel“) gestalten seit 2007 Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen in vielen Städten und Gemeinden der Welt den geplanten Übergang in eine postfossile, gemeinschaftlich organisierte Gesellschaft und relokalisierte Wirtschaft.“

Dazu ausführlich und mit Auflistung aller Transition Towns weltweit, diese inspirierende  Seite von den Transition Town-Mitgliedern selbst:

https://www.transition-initiativen.de/was-ist-eine-transition-town-initiative

Diese Internetseite gibt einen sehr guten ersten Einblick, vor allem die ersten beiden Video-Clips.

Der Übergang in eine postfossile Gesellschaft wird erreicht, indem der Ressourcenverbrauch jedes Mitglieds maßgeblich sinkt, dadurch dass zum Beispiel Brotbackkollektive gebildet werden (es werden viele leckere selbstgebackene Bio-Brote in einem riesigen Ofen zusammen gebacken, damit nicht jeder seinen eigenen anschmeißt). Es werden Fähigkeiten ausgetauscht und Gebrauchsgegenstände (Fahrräder, Kleidung, unterschiedlichste Elektrogeräte wie Fairphone) repariert und weiterverwertet. Flächen werden maximal begrünt und eigenes Obst und Gemüse angebaut.

Der Gründungsvater dieser Bewegung ist Rob Hopkins aus dem englischen Nest Totnes, der ersten Transition Town, wo die wohl auch heute noch die enthusiastischste dieser Initiativen beheimatet ist. Den Verfechtern liegt viel daran aufzuklären über Permakultur, cradle-to-cradle (= Kreislaufwirtschaft), lokale Währungen, natürlichen Düngungsmethoden (z.B. Terra Preta, s. Blog-Beitrag dazu) und vieles mehr. Die Kurzdefinition von Permakultur könnte lauten: eine permanente und nachhaltige Landwirtschaft. Eine längere Version würde es vielleicht so beschreiben: Permakultur möchte grundlegend die Methoden der Natur wiederaufgreifen, da diese an Nachhaltigkeit und Effizienz in ihrer Funktionsweise unübertrefflich ist. Das Ziel sind Kombinationen von Pflanzen, die sich maximal positiv beeinflussen an den für sie geeignesten Plätzen. Mehr dazu in einem in Kürze erscheinenden Blog-Beitrag.

Aber auch soziale Themen wie gewaltfreie, wertschätzende Kommunikation oder achtsamer Umgang mit der Umwelt und den Mitmenschen sind Schwerpunkte. Es werden Klimastadtführungen organisiert und Lebensmittelführer veröffentlicht. Neue Mobilitätsideen werden diskutiert und Lastenräder für den allgemeinen Gebrauch organisiert.

Die Transition-Town-Mitglieder verstehen ihren Ansatz damit als ganzheitlich,

  • weil zu einem guten ökologischen Wandel auch ein positiver sozialer Wandel dazu gehört.
  • weil sowohl ein achtsamer Umgang mit der Natur als auch mit den Menschen geübt werden will.
  • weil wir wieder lernen können, wie wir mit der Natur im Einklang leben, in ihren ökologischen Möglichkeiten und dabei diese (große) Vielfalt gerecht unter den Menschen aufteilen.

Das hört sich vielleicht idealistisch oder pathetisch an, dabei ist es einfach gelebte Nachhaltigkeit – back to the roots. Dieser Ansatz bringt Lebensfreude mit sich – weil alles gemeinschaftlich passiert und es viele amüsante-praktisch-ermutigende Anknüpfungspunkte gibt. Erheiternd und rührend habe ich es beim Schauen eines Clip über das englische Totnes empfunden, wie in diesem Dorf alles nicht-Niet-und-Nagelfeste begrünt wurde. Auch ein Hochbeet vor dem Polizeipräsidium, das alle zwei Tage von den dort tätigen Polizeibeamten bewässert wurde. Ein Bild für die Götter!

120 Transition Town-Initiativen gibt es mittlerweile in Deutschland. Man kann sich sehr leicht anschließen – die Mitglieder freuen sich immer sehr über Interesse und Zuwachs. Den Einsatzbereich kann man sich selbstverständlich aussuchen: für den Fahrradbegeisterten, Fahrradwerkstatt mitbetreuen, für die Koch-/Backfreudigen das Brotbackkollektiv oder gegebenenfalls die Vokü.

Für alle, die den Öko-Slang ‚Vokü‘ nicht kennen: Es ist die Abkürzung für Volksküche = es wird aus oft aus Restnahrungsmittel oder günstigen Lebensmittel für viele Menschen gekocht. Zum Essen kann ein jeder kommen, v.a. auch Obdachlose, andere Mittellose, einfach jeder. Wer es sich leisten kann, spendet etwas für die Mahlzeit.

Für die Grün-Däumlinge bieten sich die urbanen Gärten an, für die Papiermenschen: das Administrative und so weiter – es ist vielfältig, einem wird nicht langweilig. Einfach eine Mail schreiben und zu einem Treffen dazukommen.

Bildrechte: Filmplakat von ‚The fifth sacred thing‚. Dies ist ein Filmprojekt initiiert von der Autorin Starhawk, das den Weg aufzeigen wollte, San Francisco in eine begrünte transition town mit viel Selbstversorgung und Gemeinschaftsprojekten zu verwandeln. Leider war nur das Kickstarter-Video zu dem Vorhaben zu finden, was darauf schließen lässt, dass der Film nie fertiggestellt wurde. Dies ist sehr schade, da meiner Meinung nach solche Visionen mehr Verbreitung finden sollten.

C.Heybl, aufgenommen am 27.12.2019 in San Francisco.

Veröffentlicht von Christine Heybl

Ich habe zum Thema 'Klimagerechtigkeit' promoviert, Hauptfach Philosophie, Nebenfach Biologie. Ziel war es zum Thema Nachhaltigkeit, herauszuarbeiten, dass durch den Klimawandel Menschenrechtsverletzungen entstehen und wir daher die Verpflichtung haben, in allen Bereichen der Gesellschaft eine nachhaltige, ökologisch-vertretbare Lebensweise einzuführen, die die Menschenrechte aller Individuen sowohl heute als auch in Zukunft möglich macht und schützt. Ich bin sehr Nachhaltigkeitsthemen interessiert, zurzeit v.a. an nachhaltigem Konsum, organischer Landwirtschaft und Permakultur.

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